Rant

12.3.2020

auf diesenTweet bezieht sich mein Rant:

„Hier sprechen viele über finanzielle Solidarität für Freiberufler*innen & Künstler*innen. Das Virus trifft die gesamte Wirtschaft hart, viele mittelständische Unternehmen haben weniger Aufträge. Mein Vater ist Schlosser – er muss jetzt Überstunden abbauen, danach käme Kurzarbeit.“

„Wer hier wirklich keine Lobby hat: Arbeiter*innen.“

Minh Thu Tran auf Twitter

Mein Rant:

#Solidarität ist mE da. Das Internet ist nicht die Welt und bei jeder Demo wo es um soziale Themen u.a. auch der der Arbeitenden geht, sind u.a. Musiker*innen anwesend, die Musik machen. In der Regel kostenlos.

Was scheinbar nicht da ist, ist das Wissen, das speziell in den freien Künsten, der Bühnen und Kulturszene, es so etwas (erkämpft von Gewerkschaften) wie Überstundenabbau und Kurzarbeit, schlicht nicht gibt. Auch keinen monatliche Überweisung, kein Gehalt das regelmässig kam (vor der Kurzarbeit). Da ist dann plötzlich einfach nichts mehr auf dem Konto. Und gross Rücklagen anzulegen, das konnten die allerwenigsten, weil ja schon ohne Corona, es regelmässig Zeiten gibt, wo es keine Einnahmen gibt, oder zumindest nur so wenig, das laufend das nötigste bezahlt werden konnte.

Einfach mal anschauen was zB Musiker*innne die freischaffend sind, so verdienen. Wie gesagt, nicht die, die an Theatern engagiert sind, sondern die die eben nur Gig für Gig engagiert sind und ohne politische Regelung einfach leer ausgehen, also weder Überstundenabbau (Überstunden werden in dieser Branche von denen die Gig für Gig arbeiten, nicht abgeglichen) noch Kurzarbeit (und nein, das ist kein Erhöhen der Kurzarbeit oder finden, dass es die beste Lösung ist, nur das es EINE ist).

Ich denke, warum in Kreisen, wo viele von dieser Gig zu Gig Arbeit leben (wie ich und viele meiner Kontakte), die Infos rumgegangen sind, war, WEIL es keine Regelung bislang gab (und meines Wissens auch noch nicht gibt) und das erzeugt u.a. Panik. Und zwar sehr berechtigt. Und die Berufsverbände, bestückt mit Ehrenamtlichen, versuchen grade fieberhaft , da etwas zu reissen. Und das teilen sie mit Artikeln etc mit. Damit die Panik unter denen, die grade ohne dastehen, nicht so gross wird.

Ich kenne das Argument, dann geh doch in Harz 4….welll, es ist zB nicht geregelt wie wir dann unsere Rente(und Sozialversicherungsleistungen), die wir womöglich Jahre oder Jahrzehnte lang eingezahlt haben, kriegen, ob wir nach dem Corona Pandemic wieder in die KSK kommen können, oder eben plötzlich uns anders versichern müssten (Krankenversicherung, Sozialvers. und Rentenversicherung, eine Kollegin hat grade eine Anfrage diesbezüglich bei der KSK gestellt).

Das schlimmste ist, dass im Moment die Regelung so ist, dass wenn man aus der KSK geht, man den Rentenanspruch weitgehend verliert und wenn man dann nicht mehr reinkommt, naja, dann steht man ohne Rente da, ist auf jeden fall im Alter auf Harz4 angewiesen und das obwohl man den grössten Teil seines Berufslebens schön fleissig eingezahlt hat. Was Minh also sieht, waren schlicht der Versuch, nicht komplett den Kopf zu verlieren, weil sich Kunstschaffende, besonders die in der Freien Szene, sowas wie Überstundenabbau und Kurzarbeit wünschen, und ein paar Ehrenamtliche grade versuchen, das hinzukriegen.

Die Honorare die man so in der freien Szene kriegt, die reichen nicht für eine selbstständigen Krankenversicherung und zusätzlich noch für eine Vorsorge fürs Alter aus. Klar gibt es ein Paar, da sieht es super aus finanziell, aber das sind echt Ausnahmen, das Gros der freien Kunstszene hat sich entweder abgesichert über einen Brotjob (in einem ganz anderen Bereich zB, oft unter Arbeiter*innen übrigens), oder wie ich und viele andere, fallen einfach sehr tief, wenn keine Regelungen gefunden werden.

Schade, dass fehlende Solidarität moniert wird, wo offenbar nicht mal ein Bruchteil der Realität derer auf dem Schirm ist, denen grade der Vorwurf gemacht wird. Ich habe alles nur gestreift und versucht so sachlich wie möglich zu sein. Ich freue mich sogar, wenn ich bei einigen Annahmen berichtigt werde (weil das Prekariat ist no fun). Ich bin nicht ins Detail gegangen, was der unterschied ist, für die die Überstunden abbauen können und für die es gesetzlich geregelte Kurzarbeit gibt die krank sind, und die jedes mal, wenn sie wegen Krankheit fehlen, nichts verdienen. Ich finde es unangebracht hier Lager aufzumachen.

Arbeiter*innen haben wie schon immer, meine VOLLE Solidarität, nicht nur weil ich selbst zu grossen Strecken zu den Arbeiter*innen gehörte, sondern weil es schlicht das Richtige ist to do!

Mein Wunsch wäre es, dass alle die festangestellte Jobs haben, egal wo und wie, auch sehen, dass es was soziale Absicherung etc angeht, deutlich prekärer geht, als das was sie erleben. Das macht Kurzarbeit nicht toll oder erstrebenswert (!), es wäre einfach hilfreich, wenn so eine Betrachtung both ways gehen würde. Denn Solidarität ist etwas was gezeigt wird, und zwar nicht nur im Netzt sondern auch bei Demos. Und in dem man sich informiert und nicht so unsachliche Vergleiche anstellt, die nur shamen sollen. 

Aber mal ehrlich, wer sich auskennt, was die prekäre situation von denen angeht die in der freien Kulturszene sind (ab und an, wenn meine Gesundheit es zulässt, mache ich auch so ehrenamtliche politisch Arbeit (eben in meinem Berufsfeld im TKV), hab also einen kleinen Überblick) der kann nicht anders, als zu sehen, dass hier was schief läuft. #MeinKleinerReaktionsRant

Wir müssen uns nicht gegenseitig in unserer Not runter machen, besonders nicht ohne genug Info. Wir können TATSÄCHLICH gemeinsam was wuppen, aber dazu muss man sich einlassen. Nicht von sich ausgehen und zuhören.

Ist selten genug, das Kulturschaffende die prekär leben, offen sind, weil sie sich schämen, weil es ein Bereich ist der hochgradig kapitalistisch besetz ist „wenn du keinen finanziellen erfolg hast, dann kannst du das was du da machst, offenbar nicht gut genug“, hört zu.

Und gleichzeitig werden besonders wir Musiker*innen STÄNDIG gefragt, ob wir hier und da nicht umsonst spielen oder nur für ein Butterbrot, weil es würde uns doch helfen bekannt zu werden etc….Equipment und Proben gehen selbstverständlich IMMER auf unsere Kappe….

Sicherlich können wir alle reflektierter sein, besonders in klassistischen Themen, aber die Kommunikation die online stattfand als fehlende Solidarität zu lesen, DASS ist mE der Blinde Fleck im eigenen Auge.

#Empathie

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